Freitag, 4. November 2011

Mein Occupy-Frankfurt-Tagebuch

Hallo ihr.
Wie informierte Kreise wissen, war ich von Sonntag bis Mittwoch bei dem Protestcamp vor der EZB.
Ich dachte, ich schreibe jeden Tag mal ein bisschen, damit das auch andere nachvollziehen können, was vor sich geht.

Tag 1. Sonntag

Meine Anreise war Sonntags, da zu diesem Zeitpunkt nicht viel in der Stadt los ist, also zumindest nicht soviel wie unter der Woche. Ich bin abends angekommen und habe mich erst mal bei dem Infozelt gemeldet, damit die solange auf meine Sachen aufpassen können, während ich auslade und mein Auto in ne P+R Garage fahre.
Gesagt getan, der Mensch an der Info (ein Infozelt mit seeehr vielen Infos) schaute zwar etwas verwirrt, stimmte aber zu.
Als ich vom parken zurückkam, war niemand mehr da, der mir mal alles zeigen konnte. Also selbst einen Zeltplatz gesucht und am anderen Ende auch gefunden. Während ich so durch das Camp ging, verschlechterte sich mein Eindruck mehr und mehr. Viele, die vor den Feuertonnen waren, gehörten sichtbar dem Obdachlosen-Milieu an. Also erst mal nix mit breitem Protest.
An meinem Zeltplatz waren direkt in der nähe einige Punks. Das war auch der erste Kontakt im Camp: Hast du n Bier? Hast du zufällig grade 20 Cent? Die beiden Fragen waren die ersten. Während ich mein Zelt aufbaute (Wissenden ist bekannt, dass das länger dauern kann.....) war es schon ein echt komisches Gefühl, zwischen den ganzen Banken und der Oper in ein Protestcamp zu ziehen. Die Gegensätze waren schon heftig.
Nach dem aufbauen hab ich mir erst mal das Camp angeschaut. Es fand grade eine Asamblea (dt.: Versammlung) statt, bei der ich ein wenig zugehört habe. Schließlich gabs Essen, Vegane Linsensuppe und zum Nachtisch Obstsalat mit Toffifee. Die war nicht schlecht, aber es war ein komisches Gefühl, einfach so zu essen, ohne was dafür geleistet zu haben. Aber darum gings ja schließlich auch oder? Trotzdem habe ich beschlossen, morgen bei einem AK oder so mitzumachen. Da gabs einige. Immer wieder laufen auch Touristen und Bewohner vorbei und machen Bilder, so dass man sich irgendwann vorkam, wie in einem Zoo. Die dreistesten liefen halbversteckt mit einer Kamera durchs Camp und filmten einfach jeden.
Irgendwann kam dann auch einer zu mir und fragte, ob ich neu sei und wir redeten kurz. Das Ganze kam mir mittlerweile leicht seltsam vor.

2. Tag. Montag

Geschlafen hab ich eigentlich gut, obwohl die Stadt natürlich laut ist. Die Punks von nebenan machten Party bis spät in die Nacht. Neben mir hat sich gestern noch ein Zelt gesellt. Wir haben Randlage, hinter Transparenten, vor denen die Menschen stehenbleiben zum lesen. Das erhöht natürlich den Zoo-Faktor. Aktivitäten gabs heute fast noch weniger. Auch bekam ich zunehmend das Gefühl, hier falsch zu sein. Denn irgendwie ging es generell eher um das Camp und was man alles zum Erhalt tun kann und welche Aktivitäten man machen kann. Dabei gab es noch nicht mal Grundsätzliche Übereinstimmung in den wichtigsten Punkten. Ab 11:00 Uhr habe ich dann mitgeholfen, den Infostand zu betreuen. Das war richtig cool, da kam man mit Passanten und Touristen ins Gespräch. Lustig war ne Amerikanische Japanerin, die mit mir über Afghanistan diskutierte, die Arme... und das auch noch auf englisch...
Von meinem Mitinfostand-Menschn habe ich auch erfahren, dass Samstag abend drei Obdachlose einen anderen Krankenhausreif geschlagen hätten. Der musste mit dem Krankenwagen abgeholt werden. Die Jungs habe ich abends gesehen, wie sie besoffen auf einer Bank rumlagen.
Mittags gabs dann eine Asamblea, bei der vor allem um Kleinigkeiten gestritten wurde. Und wie immer in solchen Basisdemokratischen Dingern wars ultrakompliziert und es ging immer wieder mal um Nazis. Mittagessen gabs in der Stadt, die Küche hat mir zu lange gedauert.
Das Zelt neben mir war scheinbar von einem dämlichen Paar bewohnt, das nur eine Nacht da zelten wollte, um das Hotel zu sparen oder was auch immer.
Abends ist dann noch ein Nazi durchs Camp gelaufen und hat alle beschimpft, inklusive mir. An dem Tag habe ich auch beschlossen, dienstags nach Hause zu fahren.

3. Tag. Dienstag

Die Nacht war ziemlich kurz, weil die Punks bis um 4 Party gemacht haben. Die Jungs hat man ansonsten nie gesehen, aber vor ihrem Zelt war immer was los. Ich habe dann mein Auto geholt und bin dann nach Hause gefahren.

Fazit:
Ich habe zugegebenermaßen mehr erwartet. Dachte, das ist ein Protestcamp der Bürger dieses Landes. Stattdessen waren es wieder mal die typisch linken und dazu kamen noch recht viele Obdachlose und Punks. Normalsterbliches Volk hat man dort selten gesehen. Daher fühlte ich mich auch leicht fremd.
Zu tun gabs recht wenig, was aber irgendwie logisch war, denn das is ja kein Arbeitslager. Dennoch wars etwas unstrukturiert. Hier könnte man einiges noch besser machen, wenn man möchte, dass die Leute auch bleiben.
Alles in allem glaube ich, dass das Camp nur noch sich selbst erhalten hat. Aber die Wirkung nach außen hat gezeigt, wie sinnvoll und wichtig das war und ist.
Das ist auch der Verdienst des Ganzen. Denn das war nur ein weiterer erster Schritt, der gemacht werden musste, um endlich das System so zu verändern, dass sich endlich was bewegt.
Ob das Basisdemokratisch funktioniert wage ich mal zu bezweifeln, denn amn Ende sind es immer ein paar wenige Charismatische Figuren, die hervorstechen und an denen sich die Menschen orientieren können.

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