Dienstag, 10. Januar 2012

Sinnlose Polizeigewalt - wiedermal

Die Geburt einer neuen Rubrik, leider.

Nachdem ich heute morgen wieder mal was Neues von der Polizei-Front gehört habe, muss ich euch davon berichten.

Zuallererst aber müsst ihr euch fragen lassen, ob ihr die Polizei mal von der anderen Seite gesehen habt. Nicht als normalsterblicher Bürger, sondern als Demonstrant oder Verdächtiger oder auch nur als Fussballfans (die sind ja eh alle kriminell ;) ). Wenn nein, dann kennt ihr dieses Gefühl nicht, wie es ist, wenn man unter einem Pauschalverdacht gesehen wird. Mir ging es zum ersten mal so auf einer Studentendemo gegen Studiengebühren.
Das ist nämlich ein ziemliches ausgeliefert-sein, wenn man vor Maschinen steht, die kein Gesicht haben, nicht wiedererkennbar sind und Schlagstock, Pfefferspray, Schusswaffe tragen.
Und die setzen sie ja auch bekanntermaßen gerne ein...

Aber zurück zum Thema:

Im November 2005 starb in einer Dessauer Polizeizelle ein 36 jähriger Mann. Er war gefesselt und hatte es trotzdem (laut Polizeiangaben) geschafft, die Feuerfeste Beschichtung der Matratze zu beschädigen. Danach soll er ein Feuerzeug aus seiner Tasche genommen und die Matratze angesteckt haben.
Der Polizist, der für die Überwachung der Zellen zuständig war, hat den Lautsprecher, der aus dieser Zelle kam, leise gestellt, um in Ruhe telefonieren zu können.
Als Feueralarm ausgelöst wurde, hat ihn ein Polizist abgestellt, da er schon mehrfach Fehlalarm gegeben hatte.
Beide Beamten, die damals verantwortlich waren, wurden freigesprochen. Der BGH hat ein Urteil kassiert und seit Januar 2011 läuft das 2. Verfahren erneut.
Wer das schon liest kann gar nicht so viele Zufälle ignorieren. Das stinkt generell schon zum Himmel.

Jetzt gibt es seit 2005 immer wieder Demos gegen diese Geschichte. Da werden Plakate hochgehalten auf denen steht: Oury Jalloh
Das war Mord!


2007 hat die Polizei diese Plakate beschlagnahmt, weil sie angeblich nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt würden.
Hääää? Was steht denn da drin, dass es nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sein soll? Kann mir das jemand erklären? Ich net und auch das Oberverwaltungsgericht sah dies anders und genehmigte diese gaaanz schlimmen Plakate.

Vier jahre gingen ins Land, die demonstrieren immer noch und seit einem halben Jahr gibts in Dessau einen neuen Polizeichef.
Was macht der am Wochenende, als wieder ne Demo war? Er lässt diese Plakate wieder beschlagnahmen und leitet Ermittlungen gegen die Träger ein. Dabei kommt es zu Zusammenstößen, bei denen zwei Demo-Teilnehmer schwer verletzt wurden und im Krankenhaus liegen. Das Urteil kannte der Polizeichef natürlich nicht. Woher soll auch ein Polizist das Gesetz kennen, das eine Demo, die er betreuen muss, betrifft?
Maaaan, seid ihr bekloppt? Oder ist das Vorsatz und fällt eher unter die Rubrik Polizeiwillkür?
Ich hoffs mal net.

Und ich hätt gerne, dass ihr das mal endlich alles aufklärt! Es kann nicht sein, dass die Polizei in dem Land machen kann, was sie will.
Große Macht gebiert große Verantwortung.
Namea - 12. Jan, 11:47

Hi,

ich bin überrascht, hier von Oury Jalloh zu lesen, positiv überrascht. Das ist wirklich eine unglaubliche Geschichte. Bzw. schon glaublich, nur zerrt es an den Nerven, dass sowas ungestraft in Deutschland (oder sonstwo) passieren kann. Ich habe mal eine Zeit lang die Prozess-Protokolle gelesen, bis ich nicht mehr konnte, denn das ist harter Tobak. Wie sich die Polizisten da alle gegenseitig schützen, sich niemand an irgendwas erinnert und diejenige, die ihre Kollegen belasten wollte kurz darauf woandershin versetzt wurde...
Was ich bei dem Thema noch wichtig finde, ist die rassistische Komponente. Die Polizei von Dessau ist bekannt als besonders rassistische Dienststelle, hat schon mehrfach unbegründet Menschen verprügelt und in Gewahrsam genommen, oder öffentlich gedemütigt, z.B. durch Kontrollen an Schwarzen, die sich in der Öffentlichkeit bis auf die Unterwäsche ausziehen mussten.
Auch bei Oury Jalloh war das Vorgehen ungewöhnlich. Er wurde aufgegriffen, weil er eine Frau gefragt hat, ob er mal von ihrem Handy aus telefonieren könnte. Er war stark alkoholisiert, die Frau hat Angst bekommen und die Polizei gerufen. Bevor er noch auf der Dienststelle ankam, hatte er mehrere Verletzungen. Danach wurde er komplett gefilzt, bis in den Anus. Danach in der Zelle auf einer Matratze fixiert.
Und dann wurde behauptet, nach der Leibeskontrolle und in Fixierung, er hätte sich selbst auf der (feuerfesten!) Matratze angezündet!
Eine Kollegin hat ausgesagt, dass sie über die Überwachung Schreier gehört hätten. Einer der angeklagten Polizisten hätte die Lautstärke daraufhin runtergedreht, um in Ruhe telefonieren zu können uns sowas gesagt wie "Die Afrikaner sind doch immer so laut". Unfassbar! Der Feueralarm geht los, wird ausgestellt. Danach hören sie schreie und tun es mit diesem rassistischen Scheiß ab! Und haben den Mann (man muss schon sagen: wissentlich) verbrennen lassen! Und außerdem - wie ist das Feuer denn nun entstanden? Einer der Angeklagten fehlte in der Zeit auf seinem Posten udn wurde dnaach gesehen, wie er aus dem Trakt kam, in der Oury Jallohs Zelle lag - und sonst nichts.
Wenn man diese Protokolle liest, läuft es einem einfach eiskalt den Rücken runter. Und das Vertrauen in die Polizei schwindet.
Das heißt: ich als Weiße habe wenigstens nicht wegen meiner Hautfarbe zu befürchten, dass die Polizei mich öffentlich ausziehen lässt, bloß weil ich wegen meiner Hautfarbe unter Generalverdacht stehe, Drogen zu verkaufen. Oder dass ich inhaftiert und zusammengeschlagen werde, bloß weil ich betrunken nach Hause gelaufen bin.
Aber wenn ich auf einer Demo bin, bin ich auch im Visier. Nur: ich kann es mir aussuchen, kann mich verstecken. Wer nicht weiß ist, nicht in der Norm untertauchen kann, kann das nicht.

Hier mal der Link zur Oury Jalloh- Initiative, wo man das alles nachlesen kann:
http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

Falls du keine Links hier haben willst, oder dir mein Beitrag zu lang ist, dann lösch es doch einfach raus, ok?

Liebe Grüße
Marieke

Glückspirat - 19. Jan, 10:45

Hey Marieke.

Danke für den tollen Beitrag. Das erspart mir, die ganze Geschichte nachzuerzählen, denn sie verdient es, erzählt zu werden. Und so gut hätt ichs niemals hingekriegt.
Ich werd auch nix rauslöschen, keine Angst, Meinungsfreiheit. :)

Die Sache ist an sich schon sowas von unglaublich, das stinkt alles sowas von zum Himmel. Ich finde diesen falschen Zusammenhalt der Polizisten ganz schlimm. Denn wenn man vor denen Angst haben muss, ist die Demokratie an sich schon beschädigt.
Ich kenne Menschen, die nicht auf Demos gehen, weil es da aus ihrer Ansicht eh immer eskaliert. Und wir reden hier über keine schlimmen, sondern Demos generell.
Das ist keine gute Entwicklung und das mein ich auch, wenn ich davon schreib, dass man mal "auf der anderen Seite der Macht" war, also unter Polizei-Verdacht. Da reicht ne Studentendemo oder ein Fussballspiel aus.

Und hier kommt alles rein, was mich aufregt. Die Polizei und der Mißbrauch ihrer Macht ist bei mir ein großes Thema. Ich bin , wie viele Polizisten auch, für eine Kennzeichnung der Polizisten. Aber das bringt einem in diesem Fall herzlich wenig, wenn man auf einer Polizeidienststelle oder so von denen misshandelt wird. Und ich finde das Gefühl und den Gedanken an sich schon schrecklich, wenn der "Schutz der Hautfarbe" weg ist oder nichts mehr zählt. Da hat man dann schon Angst. Deshalb muss hier der Rest sich drum kümmern, dass das aufgeklärt wird und nicht im Nirvana versinkt. Deshalb auch größten Respekt vor den Leuten, die da immer demonstrieren. Die machen das für jeden, der mal in so eine Situation kommt.

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